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ACTUALITÉS

Auf Augenhöhe

20.05.2025

Auf Augenhöhe
Auf die Plätze, fertig, los! – und auf geht‘s!

Den Begriff kennen wir zunächst einmal aus der Welt des Sports. Er gilt als Startsignal bei Wettrennen oder anderen sportlichen Wettkämpfen. Die Zeit wird gestoppt – und am Ende des Wettstreits steht fest, ob der oder die Teilnehmer vermutlich einen neuen Rekord aufgestellt haben, der, je nach erzielter Leistung in einer bestimmten Disziplin, auch noch mit einem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde rechnen kann.

Nein, bei den in den vergangenen Monaten stattgefundenen sogenannten Expertenrunden im Hinblick auf eine Rentenreform, gab es keinen Chronometer. Und für einen Einzug ins Guinness-Buch der Rekorde reichte die Performance wahrlich nicht aus. Einzig und allein der Tagungsort, das idyllisch gelegene Schloss Burglinster, hätte in einem Fremdenverkehrswettbewerb über die schönsten Austragungsorte weltweit gewiss eine Bestnote verdient.

Doch: Was schön anmutet und Wohlgefallen erweckt, muss sich nicht immer als praktisch herausstellen. Die eigentliche Ernüchterung kam beim Betreten des Raumes: Der Tagungstisch erwies sich als derart klein, dass nicht einmal alle Teilnehmer Platz daran nehmen konnten. Ein Teilnehmer pro Organisation, hatte die Vorgabe bereits vorab gelautet – und das... aus Platzgründen!

Statt des oben bereits erwähnten Chronometers gab es allerdings eine Sanduhr in dem Tagungsraum. Ja, liebe Leserinnen und Leser, Sie haben richtig gelesen, dieses kleine Küchengerät, bestehend aus zwei Glasbehältern, die durch eine schmale Öffnung miteinander verbunden sind und in dem Sand langsam durch eben diese Öffnung von einem Glas in das andere rieselt. Gerade einmal zwei Minuten dauerte dieser Vorgang, gerade einmal zwei Minuten, die den Teilnehmerorganisationen für erste Reaktionen auf die Schlussfolgerungen aus den „Schwätz mat“-Umfragen zugestanden wurden. Und wer die Zeit auch nur geringfügig überschritt, konnte sich eines kritischen Blicks des Moderators nicht erwehren.

Jeder kennt die Sanduhr vermutlich in erster Linie vom Eierkochen. Mit Eierkochen hatten die sogenannten Expertenrunden allerdings wenig zu tun – zumindest auf den ersten Blick. Sucht man dennoch eine Verbindung dazu, kommt man im Nachgang zum Schluss, dass auch bei den Expertenrunden viel „herumgeeiert“ wurde, sofern dieses Wortspiel erlaubt ist. Immerhin steht der Begriff laut Wörterbuch für „sich nicht klar ausdrücken, sich unsicher, ungleichmäßig, ziellos bewegen und nicht entschieden genug handeln.“

Und genau so lassen sich die Schlussfolgerungen aus den drei vermeintlichen Expertenrunden auch zusammenfassen. Die Sozialministerin kam, hörte aufmerksam zu... und ging wieder. „Sie sagte ‚Moien’ und ‚Äddi’ – mehr nicht“, kritisierte CGFP-Präsident Romain Wolff die Verhaltensweise der zuständigen Ministerin seitdem mehrfach in Presse- und Radiointerviews.
Und dabei ist es doch gerade Martine Deprez, die sich volksnah geben möchte, freundlich und jovial auftritt, bei jeder Gelegenheit den Kontakt zur Bevölkerung sucht und eine Sprache spricht, die jeder verstehen sollte. Selbst nach ihrer Ernennung zur Ministerin ist sie irgendwie doch das „Éislécker Meedchen“ geblieben, was keinesfalls als pejorativ gewertet werden soll und sie als Person keineswegs unsympathisch macht. Im Gegenteil: Ihr einfaches Wesen erkennt man alleine schon daran, dass sie auch heute noch selbst offizielle Schreiben schlicht mit „Martine“ unterzeichnet.
Doch was verbirgt sich wirklich hinter dieser Verhaltensweise? Ein ehrliches und aufrichtiges Auftreten? Oder doch ein bewusstes Kalkül einer diplomierten Mathematikerin? Spätestens seit den Expertenrunden zu einer möglichen Rentenreform scheint diese Frage berechtigt. Denn nach den zahlreichen Wortmeldungen hielt die Ministerin schön brav inne. Nur so viel: Aus den zahlreichen Erkenntnissen würde nun herausgefiltert, was sich auch umsetzen ließe. Aufgrund dieser „Eckdaten“ würden über die Sommermonate dann Texte erarbeitet, die voraussichtlich im Herbst „in die Konsultation“ gingen. Eine Antwort auf den Einwurf, was die Regierung in der Rentenfrage denn nun konkret auf den Tisch legen werde und wohin die Reise denn letztendlich führe, gab es nicht.
Dass bei den sogenannten Expertenrunden neben den Sozialpartnern zahlreiche Vertreter diverser Organisationen anwesend waren und ihre Ideen in die Diskussion einbrachten, mag sicherlich charmant und sympathisch gewesen sein. Doch genau wie die beiden national repräsentativen Gewerkschaften aus dem Privatsektor fordert auch die CGFP, als alleinige national repräsentative
Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst, dass die gewonnenen Erkenntnisse nun die Grundlage bilden müssen, um in einer Tripartite, traditionsgemäß zusammengesetzt aus Regierung sowie Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden, zu einem Konsens zu gelangen. Alles andere wäre fahrlässig und würde das viel gepriesene und vor allem allzeit bewährte „Luxemburger Modell“ ganz ordentlich infrage stellen. Auch wenn Premierminister Luc Frieden in seiner Rede zur Lage der Nation erste Eckdaten bekannt gab, ändert das nichts an der Tatsache, dass im Vorfeld kein diesbezüglicher Dialog mit den Arbeitnehmervertretern stattgefunden hat. 
Die CGFP, zusammen mit den beiden Gewerkschaften aus dem Privatsektor, hat einen entsprechenden Antrag an Premierminister Luc Frieden gerichtet. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass die Regierung den Sozialpartnern bei einem derart wichtigen Vorhaben auf Augenhöhe begegnet. Die CSV-DP-Koalition hält das Heft nun in der Hand. An ihr ist es jetzt zu beweisen, ob ihr am Luxemburger Modell – und damit am sozialen Frieden – gelegen ist oder nicht.
Steve Heiliger,  CGFP-Generalsekretär