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Schlechter Zeitpunkt für waghalsige politische Abenteuer

24.07.2024

Schlechter Zeitpunkt für waghalsige politische Abenteuer
Nach einem regnerischen Sommerauftakt haben die Schulferien gerade begonnen.

Die Europawahlen gehören der Vergangenheit an und die Vorhersagen, dass ein politischer Rechtsruck zu erwarten wäre, haben sich leider in vielen Ländern Europas bewahrheitet. Logischerweise müssten jetzt alle politischen Parteien, für die der Begriff „Demokratie“ kein Fremdwort darstellt, Ursachenforschung betreiben.

Wieso konnte es überhaupt so weit kommen? Was ist denn eigentlich schiefgelaufen, dass Wähler aus praktisch allen Alterskategorien immer mehr den rechtslastigen politischen Kräften ihre Zustimmung geben? Haben sich die traditionellen Parteien vielleicht zu weit vom Bürger entfernt? Leben sie eventuell in einem Elfenbeinturm, wo die wirklichen Alltagsprobleme des Durchschnittsbürgers nicht mehr wahrgenommen werden? All diese Fragen gilt es jetzt unmittelbar zu beantworten, um dann in angemessener Weise darauf zu reagieren. Stellen wir uns rein hypothetisch einmal kurz vor, Luxemburg würde von einem mit allen Befugnissen ausgestatteten Präsidenten an der Spitze geleitet werden. Wir hätten ein Staatsoberhaupt, das sich keinesfalls von den berechtigten Anliegen des Wahlvolks beeindrucken ließe.

Nehmen wir rein theoretisch gesehen an, dieser Präsident würde am Parlament vorbei handeln, weil er die Befugnis dazu hat. Von den Bürgern abgelehnte Gesetze würden einfach so durchgepeitscht, ohne dabei Rücksicht auf Verluste zu nehmen.

Könnten wir uns so etwas in einer parlamentarischen Demokratie wie Luxemburg ernsthaft vorstellen? Die Antwort hierauf lautet eindeutig „Nein“. Oder etwa doch nicht? Das jüngste Beispiel ist die nach den Wahlen angekündigte Rentenreformdiskussion. Die Stimmberechtigten schon vor den Wahlen über dieses Vorhaben in voller Transparenz zu informieren, hätte vermutlich viele Wählerstimmen gekostet. Politische Ehrlichkeit wurde somit hinten angestellt.

Doch was vor den Wahlen offensichtlich nicht zu bewerkstelligen war, soll anschließend wieder wettgemacht werden, indem man so viele Gesprächspartner wie möglich an den Tisch holt. Man gibt ihnen das Gefühl, in die Lösungsfindung eingebunden zu sein. Unter Vortäuschung eines wahren Sozialdialogs wird den Akteuren freundlich zugehört.

Falls kein Konsens zustande kommt, bleibt zu hoffen, dass – wie oben bereits geschildert – die Regierung keine vorgefassten Entscheidungen gegen den Willen der betroffenen Bürger durchsetzt.

Ein breit angelegter Sozialdialog ist, aus welchen Gründen auch immer, nicht in allen Fällen von der CSV/DP-Regierung erwünscht.

Was der Politik bei dieser voreiligen Diskussion offensichtlich in den Kram passt, war in anderen höchst wichtigen Bereichen ganz klar ein Ding der Unmöglichkeit.

Stichwort „Logementsdësch“.

Obwohl gerade dieses Thema jeden schmerzlich betrifft, setzte sich unsere Regierung exklusiv mit Arbeitgebervertretern und Wirtschaftslobbyisten an einen Tisch. In Arbeitsgruppen wurden unter Ausschluss der Gewerkschaften einseitige Beschlüsse gefasst.

Gleiches gilt für die administrative Vereinfachung. Auch hier wurden unter Einbindung verschiedener Interessenvertretungen Entscheidungen getroffen. Nicht dabei waren erneut diejenigen, welche all jene öffentlich Bediensteten vertreten, die diese Beschlüsse letztendlich in die Tat umsetzen sollen. Ob dies der richtige Weg ist, bleibt stark zu bezweifeln.

Nach den Europawahlen fand in Brüssel das übliche Postengeschacher auf höchster politischer Ebene statt, das von zahlreichen Beobachtern mit verständnislosem Kopfschütteln begleitet wurde. Tatsache bleibt, dass es einen deutlichen Rechtsruck im politischen Spektrum gegeben hat.

In Europa und in den Vereinigten Staaten stehen jetzt weitere Wahlen an. Die Gefahr einer erneuten politischen Stärkung rechtspopulistischer Kräfte ist alles andere als gebannt.

Das beste Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte, sind die jüngsten Entwicklungen in unserem Nachbarland Frankreich. Dort wurden Reformen am Parlament vorbei (in Luxemburg glücklicherweise nicht denkbar) und ohne Zustimmung der Bürger durchgeführt.

Gerade jetzt kommt es darauf an, wirkungsvoll mit verständlichen Argumenten und Taten der immer größer werdenden Politikverdrossenheit entgegenzuwirken und somit den demokratie- und europafeindlichen Kräften Einhalt zu gebieten.

Es bleibt zu hoffen, dass sich unsere Politiker in Luxemburg kein Beispiel an unseren französischen Nachbarn nehmen und die Gesellschaft nicht spalten. Die Verantwortung liegt ganz klar bei der Regierung und unseren gewählten Volksvertretern!

Gerade in unsicheren Zeiten wie diesen, müsste eigentlich jedem bewusst sein, was dieses Mal auf dem Spiel steht: Die Zukunft Europas. Unsere Zukunft!

Romain Wolff, CGFP-Nationalpräsident